Zündfunke | Veröffentlicht in MIZ 3/16 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Zündfunke … Ludwig-Feuerbach-Preis / turmdersinne-Symposium / Hamed Abdel-Samad-Vortrag / Lutherstraßen

Rückblick auf Aktionen Medienarbeit Vorträge Seminare Ehrungen

Ludwig-Feuerbach-Preis

Der Augsburger Bund für Geistesfreiheit (bfg) hatte am 1. Oktober 2016 zur fünften Verleihung des Ludwig-Feuerbach-Preises eingeladen. Etwa 80 Gäste hatten sich zu dieser Veranstaltung eingefunden, darunter auch Mitglieder anderer bayerischer bfg-Gruppen, ferner Mitglieder des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Sie alle wollten die Preisträgerin des Jahres 2016, die sozial-liberale Politikerin Ingrid Matthäus-Maier, ehren.

Begrüßt wurden die Gäste vom Vorsitzenden des bfg Augsburg, Ger­hard Rampp, der in seinen einführen­den Worten nicht nur auf den Reli­gionskritiker Ludwig Feuerbach und dessen Schaffen sowie den nach ihm benannten Preis einging. Rampp sprach nicht minder religionssoziologische Fragen und Entwicklungen an: Er legte diverse Daten zu „Kirchensteuer“ und Kirchen-Austritten dar sowie zum bfg Augsburg, der aktuell mehr als 1.500 Mitglieder zählt. Es folgte ein Grußwort des Vorstandssprechers der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon.

Danach hielt der Thüringer Kultur­wissenschaftler und Publizist Siegfried R. Krebs die Laudatio auf Ingrid Matthäus-Maier. In seiner Rede spielten Oktober-Daten eine große Rolle, ebenso eine Konferenz der Humanistischen Akademie Berlin im Jahre 2010, bei der sich Laudator und Preisträgerin einst persönlich kennenlernten. Nicht unwichtig waren auch die von ihm geäußerten beiderseitigen West-Ost-Erfahrungen, was das Thema Staat und Kirche(n) angeht.

Nach der Überreichung von Medail-
le und Urkunde durch Gerhard Rampp 
ergriff eine sichtlich bewegte Ingrid Matthäus-Maier das Wort zur Dankes­rede. Diese schloss sie mit dem bekannten, aber durch einen dritten Satz ergänzten, Spruch: „Wer kämpft, der kann verlieren. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Wer kämpft, der kann aber auch gewinnen!“

turmdersinne-Symposium

Bereits zum 19. Mal fand vom 30.9. bis 2.10.2016 ein gemeinsam von der turmdersinne gGmbH und dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) Bayern organisiertes Symposium statt – diesmal zum Thema „Was treibt uns an? Motivation und Frustration aus der Sicht der Hirnforschung“. Über 600 Menschen machten sich auf in die Stadthalle Fürth und haben es nicht bereut. Spannende Vorträge und Filme erläuterten anschaulich, warum uns manche Dinge leichter fallen als andere; wann Motivation in Frustration umschlägt; oder warum wir manchmal Dinge tun, die weder wir noch andere von uns erwartet hätten.

Zwölf namhafte WissenschaftlerIn­nen aus den verschiedensten Gebieten entfachten ein wahres Feuerwerk an bekannten und unbekannten sowie noch weiter zu untersuchenden Zusammenhängen zwischen Psychologie und Hirnforschung. Den Einstieg bildete das Referat des Lernforschers Martin Korte über den „Kapiertrieb des Menschen“: dieser 
Kapiertrieb ist uns angeboren, unser Gehirn verfügt über ein spezielles Belohnungssystem für neue Lern­ergebnisse; Neugierde sei ein menschlicher Grundzustand. Diese wurde auf dem Symposium reichlich befriedigt: sei es zur Gruppenspezifik des Handelns von Bankern (Christian Elger, Direktor der Klinik für Epileptologie an der Universität Bonn) und scheinbaren Zusammenhängen mit deren anatomischen Gegebenheiten („Hüten Sie sich vor Bankberatern, die einen längeren Ringfinger haben!“); oder dazu, warum es nicht ausreicht, positiv zu denken (Bettina Schwörer, Psychologin) – und trotzdem sogenannte Motivationstrai­ner so erfolgreich agieren können (Wirt­schaftswissenschaftler Uwe Kanning). Weiterhin wurden verschiedene An­sätze zum Thema „Willensfreiheit“ erläutert (Volitionspsychologe Thomas Goschke), sowie Ursachen und Über­windungsmöglichkeiten des „inneren Schweinehunds“ (Psychologin Marlies Pinnow). Dabei ging es sowohl um Prägungen schon in der Kindheit (siehe den sog. Marsh-Mallow-Test) als auch um Geschlechterunterschiede (Birgit Derntl, Professorin für innovative hirnfunktionelle Verfahren). Die „Motivation für das Böse“ wurde von dem Soziologen Stefan Kühl am Beispiel der Beteiligung „normaler“ Deutscher an der Vernichtung von Juden während des Zweiten Weltkriegs erläutert. Wer auf den Geschmack gekommen war, fand auf dem Büchertisch zahlreiche Titel der genannten und weiterer AutorInnen zur Vertiefung der Themen.

Spannend verlief für mich ebenfalls das erstmals durchgeführte Speed-
Dating zur Vernetzung der Teilnehmen­den. So konnten in jeweils fünf Minu­ten wissenschaftliche und persönliche Kontakte geknüpft werden bzw. Allianzen für die künftige Zusammen­arbeit von HumanistInnen verschiedenster Bundesländer geschmiedet werden.

Viola Schubert-Lehnhardt

Hamed Abdel-Samad-Vortrag

„Ist der Islam demokratiefähig?“ Die-
ser Vortragstitel des fundierten Islam­kenners Hamed Abdel-Samad war den 
Universitäten von München und Augs­burg offenbar zu heiß. Sie verhinderten daher eine Veranstaltung in ihren Räumen. Die Augsburger CSU (genauer: einige Ortsverbände, die sich über innerpateilichen Widerstand hinwegsetzten) luden den bekannten Autor hingegen in die Augsburger Stadtbibliothek ein, wo dem informativen Vortrag eine absolut friedliche und sachliche Diskussion folgte. Bemerkenswert waren die Einleitungen des CSU-Stadtrats Große und des örtlichen CSU-Bundestagskandidaten, die sich für die Praktizierung der Grundrechte und der Allgemeinen Menschenrechte einschließlich der Religionsfreiheit im säkularen Staat aussprachen und dabei auch die weltanschauliche Neutralität des Staates betonten. Der Initiator Gerhard Schmid, einst Aktivist der 68er-Bewegung und später Oberschulrat in Berlin, zeigte sich bestens über den weltanschaulichen Wandel in der bayerischen Gesellschaft informiert und sah auch die Notwendigkeit eines Umdenkens innerhalb der CSU.

Gerhard Rampp

Lutherstraßen

Der Internationale Bund der Konfessions-
losen und Atheisten (IBKA) hat anlässlich des Reformationstages die Um­benennung der nach Martin Luther benannten Straßen und Plätze gefordert.
„Wenn heute an Martin Luther erinnert werden soll, darf dies nicht kritiklos geschehen“, sagt René Hartmann, erster Vorsitzender des IBKA. „Angesichts seiner Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, seiner Geringschätzung der Frau und vor allem seines extremen Antijudaismus ist Luther als Namensgeber für Straßen und Plätze absolut ungeeignet.“ Da ein Straßenschild die dunklen Seiten des Reformators zwangsläufig verschweige, trage es zu einem falschen Geschichtsverständnis bei.

An die evangelischen Kirchen gewandt forderte Hartmann, dass den Worten nun Taten folgen müssten. Denn die EKD und ihr Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm hatten sich zwar mit 
deutlichen Worten von Luthers Juden-
hass distanziert, gleichzeitig aber wird 
Luther von den evangelischen Landes­kirchen im Vorfeld des Reformations­jubiläums überwiegend unkritisch prä-
sentiert. „Die nachdenklichen Stimmen gehen völlig unter im Luther-Hype“, kritisierte der IBKA-Vorsitzende. In diesem Zusammenhang verwies er auf zahlreiche Luther-Devotionalien, die zum Jubiläum angeboten werden, und die darauf hindeuten, dass es keine kritische Distanz zum Reformator gibt, etwa die Luther-Gummiente, Luther-Lutscher oder Luther-Bonbons. „Mit Lippenbekenntnissen ist niemandem gedient. Die evangelische Kirche muss im Rahmen des Reformationsjubiläums ihren Beitrag dazu leisten, dass sich in der Öffentlichkeit ein kritisches Lutherbild durchsetzt“, unterstrich Hartmann die Forderung des IBKA nach der Straßenumbenennung.

Parallel zur Pressemitteilung hatten die regionalen Gliederungen des IBKA zahlreiche Kommunalparlamente angeschrieben und die dort vertretenen Fraktionen aufgefordert, entsprechende Anträge einzubringen. In dem Schreiben wurde ausführlicher begründet, warum es falsch wäre, Martin Luther durch eine Straße oder einen Platz zu ehren, vor allem wurde darauf verwiesen, dass der vormalige Augustinermönch anderen die Freiheit, die er für sich einforderte, nicht gewähren wollte.

Eine Antwort, die ein interessantes Geschichtsverständnis offenbart, kam von der Ratsfraktion der Grünen aus Bochum. Diese kam zu dem Ergebnis, die Umbenennung einer Straße sei kein angemessener Umgang mit ambivalent historischen Persönlichkeiten. Der Straßenname bewahre eine bedeutende Person der Geschichte im kollektiven Gedächtnis, so dass sich „Menschen immer wieder die Frage stellen, wer und was hinter dem Namen steht: bei sehr vielen sind das Verdienste und Irrtümer gleichermaßen“. Eine Straßenumbenennung würde „die positiven Seiten und die Bedeutung Luthers bzw. der Reformation ganz undialektisch negieren“. Schließlich habe die Reformation durch die Infragestellung kirchlicher Autoritäten und die Be­tonung der Freiheit des Einzelnen sehr viel für „den epochalen Prozess der Aufklärung bewirkt“. Und dass auch diese ihre dunklen Seiten hatte, wüssten wir spätestens seit Horkheimer und Adorno. Womit dann wohl auch geklärt wäre, dass irgendwie alles gute und schlechte Seiten hatte, oder?