Prisma | Veröffentlicht in MIZ 2/15, Sonderheft 2015 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Statements … Warum ist Religionskritik heute noch wichtig?

Darf über "Heiliges" gelacht werden?

Jörg Sundermeier, Ricarda Hinz, Hermann Josef Schmidt, Rachid Boutayeb, Arzu Toker, Christine M. Shellska, Leo Igwe und Constanze Cremer zu religionskritischem Humor.

Jörg Sundermeier

Selbstverständlich darf über Religion gelacht werden, warum denn nicht? Es ist sogar so: über Religiöses muss gelacht werden, denn Satire ist ein Mittel der Aufklärung – und das Lachen befreiend. Was die, die sich in ihrer Religion einsperren, leider nicht begreifen können.

Jörg Sundermeier ist Autor und leitet den Berliner Verbrecher Verlag.

Ricarda Hinz

Lächerlich! Es gibt nichts „Heiliges“, was soll das sein? Ach ja, die „Heiligkeit“ wurde als wirksamstes Mittel gegen Kritik erfunden, Kritikschutzfaktor zehntausend, sozusagen. Um es unangreifbar zu machen. Denn Kritik ist immer ein Angriff und Humor ist die charmanteste Form von Kritik. Je treffender die durch den Witz transportierte Kritik, desto lauter kann gelacht werden.

Ricarda Hinz macht Videos für die Giordano-Bruno-Stiftung.

Hermann Josef Schmidt

Um ihre Hirngespinste, Inhumanismen und den Status ihrer Protagonisten zu legitimieren, kreierten, perfektionierten und sanktionierten Religionen ein reichhaltiges und differenziertes Ensemble multifunktionaler Theoreme sowie manipulativer Strategeme enormen, auch religionsexterne Theorien basal infizierenden Effekts. So blieb seit 2.500 Jahren eine argumentative Seriosität einfordernde Religionskritik Speerspitze, Modell und unverzichtbare Komponente jedweder prinzipieller ansetzenden Kritik.

Hermann Josef Schmidt ist Philosoph.

Rachid Boutayeb

Ich verstehe das Satirische, nämlich die Fähigkeit, über die Missstände der Welt wie über das Selbst zu lachen, als eine konstruktive Kritik. Und jede Kultur, die nicht bereit ist, konstruktive Kritik zu akzeptieren, wenn nicht zu begrüßen und davon zu lernen, ist reaktionär und kann sich nicht weiterentwickeln. (...)

Allerdings, verwendet man meines Erach- tens heutzutage die Satire eher als Kampfinstrument anstatt als Aufklärungsinstrument. Das bezieht sich auf all die Werke, die die realen Missstände der Wirtschaft und der Politik ausblenden und sich in einem kulturalistischen Jargon versinken, welche die wahrhaftigen Probleme der Gesellschaft auf die Anderen, die Fremden und besonders die Muslime schiebt.

Satire ist nackte Kritik. Sie bedient keine Vorurteile und lässt sich von keiner populistischen Agenda instrumentalisieren. Wer den Islam kritisieren möchte und sich darüber lustig machen will, (was sein gutes Recht ist – „Satire darf alles!“, lehrte uns Tucholsky,) soll dabei nicht vergessen, dass es sich bezüglich des politisierten Islam, um eine moderne Erfindung handelt, um eine Krankheit der Moderne. Rachid Boutayeb ist a

Rachid Boutayeb ist als Publizist tätig und veröffentlicht in arabischer und deutscher Sprache.

Arzu Toker

Die Göttinnen und Götter dieser Welt werden nichts gegen das Lachen haben, das zu den schönen Seiten der menschlichen Natur gehört. Nur die engen, strengen, verbissenen Menschen, die sich oft anmaßen, Stellvertretung auf Erden zu sein, lieben das Lachen nicht, denn es steht für Eigenständigkeit und Freiheit. Haben Menschen nichts mehr zu lachen, sterben sie. Denn Lachen ist nicht nur eine natürliche Reaktion auf komische, erheiternde Situationen, sondern es dient auch der Bewältigung von Angst und Schrecken. Deshalb ist Humor in den dunkelsten Lebenssituationen zu finden. Wenn Humor nicht existiert oder existieren darf, ist die Menschlichkeit tot.

Arzu Toker arbeitet als Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin und hat zahlreiche Frauen- und Bildungsprojekte initiiert.

Christine M. Shellska

Letzten Endes können viele Menschen auf der Welt aus Angst vor Verfolgung, Gewalt oder sogar Tod keinen Gebrauch von ihrem Recht auf Redefreiheit machen. Mich inspirieren Denker wie Faisal Saeed Al Mutar, der gesagt hat, dass Respekt vor Menschenrechten wichtiger sei als Respekt vor Kulturen, da Menschen Rechte haben und Kulturen und Glauben nicht.

Christine M. Shellska ist Vorsitzende der Atheist Alliance International (AAI).

Leo Igwe

Religionskritik ist in unserer heutigen Welt dringend notwendig, besonders in Afrika. Es ist die moralische und intellektuelle Pflicht aller frei denkenden Menschen, die Absurditäten, Missverständnisse, Falschheiten und Illusionen der Religion durch Literatur, Zeichnungen, Dramen und Musik ans Licht zu bringen und aufzudecken. Vor allem anderen ist Religion ein menschliches Phänomen und nichts, was menschlich ist, sollte über Kritik erhaben sein.

Leo Igwe ist Gründer der nigerianischen humanistischen Bewegung.

Constanze Cremer

Religionskritik bedeutet Kampf für Menschenrechte, insbesondere für die der Frauen. Der „Lackmustest“, ob die Ideologie einer Religion akzeptabel ist, ist die Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter. Wer diese bejaht, wird im Zweifel auch aufgeklärt-humanistische Ansichten zu Demokratie, Minderheitenschutz etc. haben. Die Katholische Kirche negiert die Gleichberechtigung der Frau. Weil die deutsche Politik deren Privilegien verbissen schützt, erhalten nun konservative bis islamistische muslimische Verbände nach und nach ebenfalls diese Privilegien.

Constanze Cremer ist aktiv bei Terre des Femmes und Vorsitzende der Regionalgruppe Köln der Giordano-Bruno-Stiftung.