Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 4/17 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Volker Weiß: Die autoritäre Revolte

Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes

Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017. 304 Seiten, gebunden, Euro 20.-, ISBN 978-3-608-94907-0

Keine Frage, um Europa ist es zurzeit schlecht bestellt. Der von Krisen geschüttelte Kontinent steht vor dem Zerfall. Unter den Bürger_innen wächst der Wunsch nach einer Rückkehr des Nationalstaats, in der Hoffnung, dieser möge der Krise Herr werden. Durch Wahlen gelangen zunehmend faschistische Parteien an die Macht. Parteien, die den Untergang des imaginierten Abendlandes heraufbeschwören und die Angst vor dem Fremden schüren. Völkisch-nationalistische Bewegungen und Parteien sehen die Zeit gekommen, Europa, den 1968ern und dem westlichen Liberalismus den Todesstoß zu versetzen. So auch in Deutschland.

Offensiv und mutig schreiten hierzulande Pegida, Identitäre Bewegung und AfD voran, bestimmen immer öfter den gesellschaftlichen Diskurs und laden zum, um in ihrem Sprachduktus zu bleiben, „Jagen“ bzw. „Entsorgen“ (Alexander Gauland) von Politiker_innen und Parteien ein. „Die Rückkehr von Autorität und Religion in die Poli­tik vollzieht sich überall in enormer Geschwindigkeit“, so der promovierte Historiker Volker Weiß, der mit seinem Buch Die autoritäre Revolte eine Kulturgeschichte konservativen, neurechten Denkens vorlegt und diese bedrohliche Entwicklung aus historischer Perspektive nachzeichnet.

Im Mittelpunkt seines Buches stehen 
insbesondere drei Aspekte: Die ideengeschichtliche Einordnung der Neuen Rechten. Die begriffliche Schärfung des-
sen, was als Neue Rechte bezeichnet 
wird sowie die Darstellung von Netz­werken und Personen. In neun Kapiteln seziert der Autor Stück für Stück die rechte Ideologie, welche keinesfalls so neu ist, wie der Begriff vermuten lässt, sondern auf eine lange Tradition völkischen Denkens zurückgreifen kann. Die auf dem historischen Faschismus fußende Weltanschauung der Neuen Rechten ist ein antiaufklärerisches, antiuniversalistisches und antidemokratisches Konzept. Weiß benennt in seiner Darstellung Ross und Reiter, beschreibt Zusammenhänge und Denktraditionen und stellt die Ziele dieser völkisch-autoritären Ideologie heraus: „Es geht (...) darum, gesellschaftliche Zustände zu schaffen, wie sie vor den 60er Jahren in Deutschland verbreitet waren. Das heißt, Lob der Kernfamilie, Aufwertung des Mannes, Vorstellung von Autorität und Seniorität, ein positives, bis hin ins Mythische reichende Verhältnis zur Nation und zur Nationalgeschichte.“

Wer nach einer unaufgeregten, gut 
strukturierten und substantiellen Ana­lyse völkisch-autoritären Denkens in Deutschland sucht, dem sei das Buch von Volker Weiß wärmstens ans Herz gelegt. Er lädt die Leser_innen dazu ein, das Argumentieren und Agieren von rechts abzuklopfen und das Versagen der Linken zu hinterfragen. Es handelt sich bei dem Buch um einen, wie man so schön sagt, großen Wurf.

Am Ende des keineswegs leicht zu lesenden Buches bleibt jedoch die Frage, wie auf die Wiederkehr des Faschismus zu reagieren ist? Die Verteidigung der universalistischen Werte ist sicherlich nicht die einzige, aber die bedeutendste Reaktion auf diese Entwicklung.