Neulich | Veröffentlicht in MIZ 2/15 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

bei der christlichen Hitparade

Man sollte einfach nicht so oft fernsehen. Oder wenn, dann auf jeden Fall mit einer funktionierenden Fernbedienung. Bedauerlicherweise machte die meine neulich beim Zappen schlapp und ließ mich und den Fernseher ausgerechnet bei einem christlichen Spartensender hängen. Zu meiner Erleichterung lief gerade keine christliche Missionssendung, auch kein Gottesdienst und keine Diskussionsrunde mit gehirngewaschenen jungen Menschen, die es total toll finden, dass sie vor der Heirat nicht pimpern dürfen. Stattdessen Werbung. Ich wähnte das Glück auf meiner Seite: Ein kleines bisschen Werbung, genug Zeit, um den Wackelkontakt in der Fernbedienung zu beheben – aber ich hatte mich getäuscht. Denn was ich in diesem Werbeblock sah und hörte, war schlimmer als jede Missionssendung:

„Die Christliche Hitparade vereint
christliches Liedgut mit der Heimatver­bundenheit der beliebtesten Stars aus der Volksmusik“ erfuhr ich, während es im Hintergrund jodelte und jaulte. Keine Tonstörung, wie sich herausstellte, sondern: „Die Kastelruther Spatzen, Die Amigos, Hansi Hinterseer oder Florian Silbereisen besingen und feiern ihre Liebe zu Gott, zu Jesus Christus und der heiligen Maria.“ Mit anderen Worten, Interpreten, die sich „durch ihre Boden­ständigkeit und Herzenswärme“ auszeichnen, „Künstler, die extrem erfolgreich sind, aber nie vergessen haben, wem sie diesen Erfolg zu verdanken haben: Ihren Fans und Freunden, aber auch dem lieben Herrgott, der ihnen überhaupt diese Gabe gegeben hat.“

Mit Schweißperlen auf der Stirn und dem Schraubenzieher in der Hand versuchte ich verzweifelt, den Wackelkontakt in der Fernbedienung aufzuspüren, während sich nach dem „Andachtsjodler“ von Maria und Margot Hellwig und einem kurzen Ausschnitt aus „Hörst du die Glocken vom Kirchturm daheim“ von Captain Cook und seinen singenden Saxophonen, Die Priester mit ihrem Smashhit „Spiritus Dei“ auf den Bildschirm drängten – selbstverständlich in der Altöttinger Live-Version.

Es ließ sich einfach kein verdammter Wackelkontakt finden. Vielleicht war die Lösung ja ganz einfach. Ich sprang zur Schublade mit den Batterien und durchwühlte sie mit zitternden Händen, während der Werbeblock bereits das nächste christliche Sammelalbum für mich bereit hielt:

„Die Zeit ist reif für diese Kollektion mit den bekanntesten Lobpreisliedern unserer Tage. Nach dem großen Erfolg
von Anbetung Gold präsentiert Anbetung Gold Deluxe eine neue Songauswahl an Klassikern und Highlights.“ Eine CD-Kollektion, bei der „Qualität groß geschrieben“ wird, wie der Sprecher versicherte: „Die Lieder sind allesamt kreativ, kraftvoll und ausgefeilt. Die perfekte Mischung aus dem Besten, was deutschsprachiger Lobpreis zu bieten hat. Das alles in einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Durchgehend deutschsprachig.“

Mit letzter Kraft drückte ich die neuen Batterien in die Fernbedienung und schaltete um. Das Wort „Erlösung“ bekam in diesem Moment wahrlich eine ganz neue Bedeutung für mich …