Neulich | Veröffentlicht in MIZ 4/19 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

Keine Muttermilch in Bangladesch

Dass Religionen Schaden anrichten, sollte jedem klar sein, der sich auch nur ein kleines bisschen mit Geschichte beschäftigt hat. Dass die schädlichsten Anhänger von Religionen jene sind, die heilige Schriften wörtlich nehmen, ist ebenfalls bekannt. Und leider bewahrheitet sich beides bis heute immer wieder.

Die jüngste Unfassbarkeits-Attacke, 
die mich angesichts religiösen Wahn­sinns mit offenem Mund zurückließ, ereilte mich beim Lesen einer Meldung aus Bangladesch: Ein Krankenhaus in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, hat nach Protesten fundamentalistisch-muslimischer Kleriker seine Pläne für ein Muttermilchspenden-Programm eingestellt. Das Programm, das ursprünglich im Dezember 2019 gestartet werden sollte, sah vor, mit Muttermilchspenden bis zu 500 unterernährte und verwaiste Kindern aufzupäppeln. Bangladesch hat eine der höchsten Raten an Unterernährung bei Kindern weltweit.

Nun ist bekannt, dass der religiöse Irrsinn in Bangladesch bereits seit geraumer Zeit immer stärker um sich greift. Der Islam ist in Bangladesch Staatsreligion und fundamentalistische muslimische Kreise gewinnen dort seit Jahren immer mehr Einfluss. Morde an Menschen, die sich öffentlich zum Säkularismus oder gar Atheismus bekennen, sind dort inzwischen leider keine Seltenheit mehr.

Doch was um alles in der Welt können muslimische Fundamentalisten dagegen haben, dass unterernährten Kindern das Überleben ermöglicht wird? Die Antwort: Die muslimischen Kleriker, die das Programm kritisieren, befürchten durch die Muttermilchspenden einen möglichen Verstoß gegen religiöse Regeln des islamischen Rechts. Darin ist nämlich vorgeschrieben, dass zwei Babys, die Milch derselben Mutter trinken, später nicht heiraten dürfen. Dies ist jedoch im Fall einer Muttermilchspende nicht ausgeschlossen, da sich die Kinder als Erwachsene begegnen und heiraten könnten – unwissend, dass sie Milch derselben Mutter getrunken haben. Ihre Heirat und ihre Nachkommenschaft wären damit aus streng islamischer Sicht nicht rechtmäßig.

Eine Begründung für die Ablehnung des Muttermilchspenden-Programms, die jeden halbwegs klar denkenden Menschen atem- und fassungslos zurücklässt. Dass die religiöse Regel nur eine fantasievolle, metaphorisch umschreibende Empfehlung sein könnte, zum Vermeiden von Inzucht möglichst keine Personen heiraten zu lassen, welche dieselbe Mutter haben, kommt religiös vernagelten Fantasie-Phobikern offenbar nicht in den Sinn.

Was sich an diesem Beispiel zeigt, ist der Inbegriff religiösen Irrsinns, der heilige Schriften wörtlich nimmt, ohne den Sinn der Worte zu hinterfragen oder gar – Gott bewahre – das eigene Urteilsvermögen einzuschalten. Das grandiose und notwendige Muttermilchspenden-Programm des Krankenhauses in Dhaka hätte niemandem geschadet und vielen genutzt. Etwas, das man von Religion ganz offensichtlich nicht behaupten kann.