Staat und Kirche | Veröffentlicht in MIZ 2/16 | Geschrieben von Gunnar Schedel

Ein Schritt zur Gleichberechtigung

In Zukunft sind die Konfessionslosen im Rundfunkrat 
des WDR vertreten

Die öffentlich-rechtlichen Medien sind ein Bereich, in dem Kirchen­privilegien gut sichtbar sind. Im Programm finden sich Gottes­dienste sowie Sendungen von „Kirchenfunkredaktionen“, die von den Sendeanstalten bezahlt werden; und in den Kontrollgremien sitzen die Vertreter der beiden großen Kirchen.

Ob diese Konstruktion heute noch dazu führt, dass kirchliche Inhalte beim Publikum ankommen, mag fraglich 
erscheinen. Aber es hat doch einen ho-hen Symbolwert, wenn eine Religion in dieser Weise vor anderen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen be
vorzugt wird. Denn Sendezeiten für Ungläubige gibt es nur in winzigen Dosen und zu wenig attraktiven Zeiten. So kann der Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayern alle sechs Wochen am frühen Sonntagmorgen eine Viertelstunde im bayerischen Hörfunk gestalten; in Nordrhein-Westfalen wurde ein ähnliches Angebot vor über 20 Jahren – also eigentlich zu einem Zeitpunkt, als die Zahl der Konfessionslosen bereits rasant zunahm – abgeschafft. Und in den diversen Rundfundkräten saßen zwar ab und an auch Konfessionslose, aber eine Vertretung hatte diese Be­völkerungsgruppe nicht.

Hier eine Änderung herbeizuführen, war seit langem das Ziel der säkularen Verbände. Zuletzt hatten der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) angesichts der Novellierung des WDR-Gesetzes eine Vertretung für nicht konfessionell gebundene Menschen angemahnt. Im März dieses Jahres hatten sich die drei Organisationen an die NRW-Landesregierung gewandt und gefordert, zukünftig eine Interessenvertretung für den zunehmenden Anteil nicht-religiöser Menschen im Rundfunkrat sicherzustellen. Da dieser von 49 auf 60 Mitglieder erweitert wurde, stand das Anliegen auf einer realistischen Grundlage.

Denn laut seinen Programmgrund­sätzen soll der WDR „die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen (…) Richtungen zum Ausdruck bringen“. Auch die Zusammensetzung des Rundfunkrats soll diese Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Bislang hatten dort allerdings nur die beiden großen christlichen Kirchen und die jüdische Gemeinschaft je einen Sitz.

Allerdings stieß der Wunsch nach einer institutionalisierten Repräsentanz auf wenig Gegenliebe. Die größeren Parteien im Landtag zeigten wenig Neigung, die säkularen Kräfte mit den Religionsgemeinschaften gleichzustellen und ihnen einen festen Platz im Rundfunkrat zu garantieren. Stattdessen musste sich die Allianz an der Hintertür anstellen.

Denn § 15, Abs. 4 des neuen WDR-Gesetzes vom 2. Februar 2016 hält eine solche offen, indem er regelt: „Sieben Mitglieder werden durch gesellschaftlich relevante Gruppen entsandt, die in der Gesamtsicht mit den nach den Absätzen 2 und 3 bestimmten entsendeberechtigten Stellen die Vielfalt der aktuellen gesellschaftlichen Strömungen und Kräfte in Nordrhein-Westfalen widerspiegeln.“ Also bewarben sich HVD, IBKA und gbs im April für einen dieser Plätze. Im Juli entschied der Landtag von Nordrhein-Westfalen dann, dass die Konfessionslosen als eine solche „gesellschaftlich relevante Gruppe“ ab Dezember für die nächsten fünf Jahre einen Vertreter in den Rundfunkrat entsenden dürfen.

Die Entscheidung bezeichnen die drei Verbände als kleinen Fortschritt.
HVD-Landespräsident Erwin Kress begrüßte, dass „konfessionsfreie, säkulare und humanistische Kräfte nun im Rundfunkrat vertreten werden“. Es bleibe aber eine Schieflage im WDR, die beseitigt werden soll: „Wir erwarten, dass wir uns auch im Programm wiederfinden. Während den christlichen Kirchen eine Vielzahl von direkten und indirekten Verkündigungssendungen im WDR geboten wird, fehlt uns eine solche Möglichkeit. Unsere eigene monatliche Sendung aus der freigeistigen Landesgemeinschaft wurde uns 1993 einfach gestrichen.“

Die Landessprecherin des IBKA NRW, Petra Daheim, zeigte sich erfreut, dass in Zukunft an den Entscheidungen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen, auch „eine klare säkulare Stimme“ beteiligt sein wird: „Der Rundfunkrat wählt den Intendanten, entscheidet über dessen Maßnahmen zum Programm und zur Entwicklung des WDR und hat Einfluss auf die grundsätzliche Reform der WDR-Radio- und -Fernsehprogramme.“

Den Platz einnehmen wird Ingrid Matthäus-Maier, Juristin und frühere SPD-Bundespolitikerin. Sie setzt sich seit über 40 Jahren für eine konsequente Trennung von Staat und Kirchen ein. Zuletzt war sie in der Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) aktiv. Die gbs-Beirätin freut sich über die Entschei­dung des Landtags: „Es ist zwar erst ein Anfang, die Entscheidung zeigt aber, dass die im Landtag vertretenen Parteien zur Kenntnis genommen haben, dass die konfessionsfreien, humanistischen und säkularen Kräfte in der Gesellschaft erheblich an Gewicht gewonnen haben und mit ihren etwa 35 % Anteil an der Bevölkerung das Spektrum im Rundfunkrat im Sinne der geforderten Pluralität des WDR-Gesetzes erweitern.“