Prisma | Veröffentlicht in MIZ 2/12 | Geschrieben von Pascale Müller

Diagnose? Homosexuell

Eine Gruppe katholischer Ärzte nutzt den Katholikentag 
in Mannheim als Podium für ihre Botschaft

Der Bund katholischer Ärzte propagiert Heilung von der „Krank­-
heit Homosexualität“. Mit diesen homophoben und menschen­rechtswidrigen Äußerungen trat der Bund auch während des Katholikentages in Mannheim auf. Proteste führten dazu, dass die Organisatoren sich distanzierten, doch ob solche Positionen in der katholischen Kirche generell abgelehnt werden, ist die Frage.

Seit dem Katholikentag in Mannheim ist der 2004 gegründete Bund katholischer Ärzte (BkÄ), besonders in den LGBT- und CSD-Netzwerken des Landes, ein großes Gesprächsthema. An einem Stand mitten im Getümmel des Katholikentags verbreitete der Gründer und aktuellen Leiter Dr. med. Gero Winkelmann angebliches Fachwissen über „Homosexualität als Krankheit“. Im ersten Moment glaubte man sich verhört zu haben, doch der weißhaarige Mediziner aus München wird an diesem Tag beständig wiederholen, was auch als eines der großen Themen der BkÄ auf der Internetseite beworben wird. Homosexualität als „behandelbare Erkrankung“ der man zu Leibe rücken muss.

Winkelmann, der früher in der christlich-fundamentalistischen Partei
 Christliche Liga aktiv war und mittler
weile aufgrund fehlender Kassenzulas­sung eine Privatpraxis in Unterhaching betreibt, erzählt von Fällen psychischer Zusammenbrüche, von Menschen die mit ihrer Homosexualität nicht umgehen können und einen „Ausweg“ suchen. Auf die Idee, dass diese Personen nur deshalb unter solch psychischer Anspannung leiden, weil die Kirche (und natürlich auch weite Teile der Gesellschaft) sie als ‘krank’, ‘anders’, ‘nicht richtig’ kategorisieren, kommen die Vertreter des BkÄ nicht. Auf Flugblättern wird Homosexualität als „psychische Störung mit unterschiedlichen Ausprägungen“ beschrieben. Darauf folgt eine Auflistung der Risiken: HIV, Geschlechtskrankheiten, „psychische Auffälligkeiten“. Zunächst scheinen diese offen homophoben und diskriminierenden Theorien während dem beseelten Spektakel niemanden ernsthaft in Bedenken zu stürzen. Erst Vertreter und Vertreterinnen des CSD- und der LSBT-Community Mannheim, die sich zu einigen Dutzend vor dem Stand einfinden und eine Sitzblockade beginnen, können dem Protest endgültig Gehör und damit die Aufmerksamkeit der Organisatoren verschaffen.

Dass es in der katholischen Kirche solcherlei heteronormative, homophobe und sexistische Denkweisen gibt, ist keine neue Sache. Dass aber auf einem, von der Stadt mitfinanzierten, Katholikentag Homosexuelle in so deutlicher Art und Weise diskriminiert werden, macht sprachlos. Es wird offenbar, wie menschenfeindlich es anscheinend in einigen Teilen der katholischen Kirche zugeht.

Aufschlussreich ist hier auch die Homepage des BkÄ, auf der steht: „Es geht hier nicht um Outing, Intoleranz oder gar ‘Diskriminierung’ oder ‘Stigmatisierung’ von homosexuell orientierten Menschen, wie uns vorgeworfen wird.“ Vielmehr wolle man sich, quasi aus purer christlicher Nächstenliebe Homosexuellen, welche sich in einer „geistig-psychischen Notsituation“ befinden, eine Möglichkeit geben, ihr „Leiden“ zu behandeln. Hierzu werden verschiedene Formen der „Therapie“ favorisiert. Seelsorge, Psychotherapie, Entgiftungs- und Konstitutionstherapie, sowie Homöopathie. Von deren „vielversprechender Wirkung“ konnte man auch schon durch Herrn Winkelmann am Stand erfahren, dessen Praxis auf diesen Bereich spezialisiert ist. Lässt man die grundsätzliche Abwegigkeit einer „therapierungswürdigen Homo­sexualität“ einmal außer Acht, bleiben noch die medizinisch fragwürdigen Methoden, zu denen dabei gegriffen wird. Vor allem die sogenannte „Konstitutionstherapie“ steht wissenschaftlich stark in der Kritik und unter dem Verdacht psychische Krankheiten bei den behandelten Personen hervorzurufen.

Die Organisatoren des Katholiken­tages, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, beeilten sich nach dem, vor allem medialen, Echo die Sichtweise des BkÄ als Privatmeinung darzustellen und sich somit von ihr zu distanzieren. Die Definition von Homosexualität des BkÄ entspräche „im Übrigen auch nicht der gültigen katholischen Lehre“. Eine schwache Stellungnahme, die darüber hinaus wohl nur auf externen Druck und Erscheinen diesbezüglicher Artikel im Spiegel und anderen überregionalen Medien zustande kam. Zudem steht sie im diametralen Gegensatz zum Selbstverständnisses des BkÄ, der sich nach eigenen Angaben als „Stimme der katholischen Ärzteschaft“ versteht und daher mit seiner homophoben Propaganda in Zukunft wohl kaum zurückhaltender sein wird. Die Protestierenden hoffen nun trotzdem, dass diesem Thema außerhalb der Kreise unmittelbar Betroffener die Aufmerksamkeit beigemessen wird, die es verdient. Dem BkÄ soll künftig keine Möglichkeit mehr geboten werden, seine Ansichten derart öffentlich zu verbreiten. Hierfür sind deutliche Signale notwendig die klar machen, dass es keine Bühne geben kann für fundamentalistische Christen, die Grundgesetz und Menschenrechte ignorieren.