Prisma | Veröffentlicht in MIZ 3/12 | Geschrieben von Frank Welker

Christen im Heavy-Metal

Mit E-Gitarre und Bibel auf Mission

Wenn von Heavy-Metal die Rede ist, dann denken viele Menschen sicher zuerst an harte Musik gespielt von langhaarigen Männern in Lederkleidung mit Hang zum Okkultismus. Okkulte Bands sind in diesem Genre ja tatsächlich keine Seltenheit. Was aber fast niemand weiß, ist, dass es auch christliche Heavy-Metal-Bands gibt und bei genauerer Betrachtung entpuppt sich sogar der eine oder andere vermeintliche Satanist als frommer Christ.

Heavy-Metal als Hassobjekt christlicher Fanatiker

Heavy-Metal war lange Jahre das beliebteste Hassobjekt gläubiger Christen. Die Vorwürfe, die man dieser Musikrichtung machte, konnten dabei gar nicht absurd genug sein. So wurde etwa behauptet, Ozzy Osbourne (Black Sabbath) habe mit seinem Lied Suicide Solution einen Fan in den Selbstmord getrieben, ähnliche Vorwürfe wurden auch gegen die Gruppe Judas Priest erhoben. Außerdem sollten Heavy-Metal-Bands mittels versteckter Botschaften, die sich beim Rückwärtsspielen von Schallplatten offenbaren würden, Jugendliche zum Satanismus verführen. Besonders beliebt war es auch, die Namen von Bands zu verdrehen. So wurde etwa Kiss zu Knights in Satan’s Service umgedeutet oder aus AC/DC wurde Anti-Christ/Death to Christ. Heute glaubt derlei Unfug jedoch kaum noch jemand. Der Heavy-Metal ist salonfähig geworden. Über Deutschlands bekanntestes Metal-Festival Wacken berichtet die Tagesschau, die Scorpions sind Dauergast im Abendprogramm deutscher Fernsehsender und dank MTV und der Show The Osbournes hat selbst der „Prince of Darkness“ Ozzy Osbourne seinen Schrecken verloren. Zwar gibt es immer noch einige Unverbesserliche unter den Christen, aber selbst viele Evangelikale haben inzwischen erkannt, dass auch harte Rockmusik das Potenzial hat, Jugendliche und Erwachsene zu missionieren.

Geschichte des christlichen Metals

Die ersten christlichen Heavy-Metal-Bands gab es bereits recht früh. Bands wie Jerusalem oder die Ressurection Band waren die Vorreiter des christlichen Metal. In den 80er Jahren war es dann vor allem die Glam-Metal-Band Stryper, die für Furore sorgte. Deren Album To Hell with the devil erreichte sogar Platin-Status in den USA. Wer auf ein Stryper-Konzert ging, musste allerdings damit rechnen, mit Bibeln beworfen zu werden (kein Witz). Bei Festivals, auf denen auch nicht-christliche Bands spielten, wurde aber auch schon mal mit unchristlichen Gegenständen zurückgeworfen.

Seit den 1990er Jahren lässt sich eine starke Zunahme an christlichen Bands feststellen. Insbesondere ist auffällig, dass diese sich bald in fast allen Subgenres des Metals fanden. Selbst zum satanisch geprägten Black-Metal bildete sich Mitte der 90er ein christliches Pendant heraus. Startschuss hierfür war die Veröffentlichung Hellig usvart der Einmann-Band Horde, die sich musikalisch am Black-Metal orientierte, aber statt satanischer radikal christliche Texte verwendete. Dabei stand man den „bösen Brüdern“ bezüglich enthaltener Gewaltfantasien aber in nichts nach. So heißt es im Song The day of total armageddon holocaust: „Feuerregen, verzehrt alle, vollständige Zerstörung, absolute Vernichtung, der Tag des totalen Armageddon Holocausts“.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends war es dann aber die Nu-Metal Band P.O.D., die weltweit große Erfolge feiern konnte. In Deutschland erreichte deren Song Youth of the nation sogar Platz 5 der Charts und das dazugehörige Album erlangte Platin-Status in verschiedenen Ländern. Der Christen-Metal hatte damit den Olymp (bzw. den Christenhimmel) der Musikindustrie erklommen. Das konnten auch die mitunter kitschig-christlichen Texte der Band nicht verhindern. Heute ist christlicher Metal auch dank solcher kommerziellen Erfolge jedenfalls fester Bestandteil des Musikbusiness. Es gibt sogar genau auf dieses Genre spezialisierte Plattenfirmen sowie Festivals speziell für christliche Bands. Missionierung ist dabei Teil eines lukrativen Geschäfts.

Schafe getarnt als böse Wölfe

Mitunter machen im Heavy-Metal aber auch Christen „satanische Musik“. Das klingt nicht nur Paradox, sondern das ist es auch. So ist ausgerechnet der Sänger der Vorzeige-Satanscombo Slayer Tom Araya gläubiger Katholik. Was diesen aber nicht daran hindert, die gotteslästerlichen und bluttriefenden Texte seiner Bandkollegen Kerry King und Jeff Hannemann mit Wonne hinauszuschreien – wie etwa im Song The Cult: „Religion ist Hass, Religion ist Furcht, Religion ist Krieg, Religion ist Vergewaltigung, Religion ist obszön, Religion ist eine Hure“. Erstaunlich auch, dass Araya offenbar kein Problem mit den nicht minder provokanten Covern der Band hat. Aber Doppelmoral ist ja auch irgendwie katholisch. Ein weiteres prominentes Beispiel ist Alice Cooper. Der Musiker, der sich mit Gruseloutfits und gewalthaltigen Shows einen Namen machte, ist ganz entgegen seinem Image ein frommer Christ, der regelmäßig mit seiner Familie die Kirche besucht und Vorsitzender einer christlichen Stiftung ist. Ähnliches gilt auch für den ehemaligen „Vorzeigesatanisten“ Ozzy Osbourne. Dieser ist Mitglied der Anglikanischen Kirche und betet regelmäßig vor seinen Bühnenauftritten, was zuletzt auch im Kino im Dokumentarfilm God bless Ozzy Osbourne zu sehen war.

Wahnsinn ohne Grenzen

Araya, Cooper und Osbourne zeichnen sich allerdings nicht durch einen fanatischen Glauben oder einen besonderen Drang zur Missionierung aus. Anders ist das jedoch beim ehemaligen Metallica-Mitglied und Megadeth-Chef Dave Mustaine. Dieser hat nach langjährigem Drogenkonsum zu Jesus gefunden und ist seitdem wiedergeborener Christ, was er also mit George W. Bush gemeinsam hat. Seitdem hat er mehrfach versucht, Auftritte von vermeintlich okkulten Bands zu verhindern, sich öffentlich abfällig über Homosexuelle geäußert und hetzt gegen mexikanische Einwanderer. Als es in den USA kürzlich zu den Massakern in einem Kino und einem Sikh-Tempel kam, wusste Mustaine als Einziger die wahren Hintergründe. Die Welt zitiert ihn mit den Worten: „Mein Präsident versucht, Schusswaffen zu verbannen, deshalb arrangiert er diese Morde.“ Aber sogar diese Dummheit konnte ein anderer prominenter Musiker noch toppen. Die Hardrock-Legende Ted Nugent (Cat Scratch Fever) hat nicht nur mit seinem Buch God, Guns & Rock’N’Roll den feuchten Traum der amerikanischen Rechten niedergeschrieben, sondern betätigt sich auch aktiv beim amerikanischen Wahlkampf. In diesem Kontext erhielt er kürzlich allerdings Besuch vom Secret Service, nachdem er bei einem Treffen der National Rifle Asociation im April 2012 verkündet hatte: „Wenn Obama im November wieder Präsident wird, bin ich zur selben Zeit nächstes Jahr entweder tot oder im Knast...“. Und da haben wir sie wieder, die ganze Wahrheit über die christliche Nächstenliebe. Dann also doch lieber wieder Slayer hören.

Informationen: Heavy Metal

Heavy-Metal ist eine besonders harte Spielart des Rock. Wegweisend für das Genre waren die Bands Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple. Heute existieren zahlreiche Subgenres mit jeweils eigenen Stilelementen. Zu den Gängigsten gehören Hardrock (Scorpions, Bon Jovi, Europe), klassischer Metal (Iron Maiden, Accept, Judas Priest) Speed Metal (Helloween, Gamma Ray, Running Wild) und der okkult inspirierte Black-Metal (Dimmu Borgir, Cradle of Filth, Rotting Christ). Obwohl inzwischen viele Musiker das Rentenalter erreicht haben, wird Heavy-Metal von Soziologen immer noch als Jugendkultur gewertet. Dies ist allerdings weder im Hinblick auf das Alter der Bandmitglieder noch, was die Zusammensetzung der Fans angeht, noch haltbar.