Blätterwald | Veröffentlicht in MIZ 3/12 | Geschrieben von Redaktion MIZ

Blätterwald … Aufklärung & Denunziation / Antisemitismusvorwurf

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Aufklärung & Denunziation

In MIZ 4/11 hatten Adah Gleich und Frank Navissi über die Gründung der Facebook-Gruppe Generation Giordano berichtet und anhand dieses Beispiels eine deutlichere Abgrenzung der säkularen Verbände nach rechts eingefordert. Nun hat die Autorin im Septemberheft von diesseits nachgelegt und über „Rechtspopulismus in der säkularen Szene“ geschrieben. Bei genauer Betrachtung bleibt von ihrer Behauptung, „dass sich die säkulare Szene und die ‘neue Rechte’ nicht nur in Sprachcodes voneinander angezogen fühlen“ und die Thesen von Rechtspopulisten sich im säkularen Spektrum wiederfinden, nicht allzuviel übrig.

Denn ihre Vorwürfe belegt sie nicht anhand von Zitaten oder Beispielen, die der organisierten säkularen Szene zuzuordnen wären. Stattdessen behauptet sie eine „unreflektierte Kol­laboration Säkularer mit Vertretern rechts-liberaler Strömungen“ oder dass Thilo Sarrazins Polemik gegen die „Unterschicht“ zahlreiche Anhänger in der säkularen Szene finde – alles, ohne Ross und Reiter zu nennen. In den seltenen Fällen, in denen Namen fallen, empfiehlt es sich nachzuschauen, was die Person tatsächlich geschrieben hat. So wird Harald Stücker, Autor des Blogs Evidenz-basierte Ansichten, als Kronzeuge für die Unterstützung der Sarrazin-Thesen angeführt; doch im genannten Artikel „Angst vor der Ungleichheit“ geht es zwar um biologisch erklärbare Unterschiede zwischen Menschen, hingegen nicht um Äußerungen des SPD-Politikers oder auch nur allgemein um eine Erklärung sozialer Schichtzugehörigkeit durch biologische Ursachen. Im Fall von Uwe Lehnert, den die Autorin mal schnell zum Beirat der Giordano-Bruno-Stif­tung (gbs) ernennt, hat ihr fahrlässiger Umgang mit vermeintlichen Zitaten dazu geführt, dass diesseits sich dazu veranlasst sah, auf der Webseite eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Im diametralen Gegensatz zur dünnen Beweislage steht das zur Be­schreibung des angeblichen Problems verwendete Vokabular: „menschenverachtende Sichtweisen“, „Ähnlichkeiten zum Antisemitismus“, „pseudowissenschaftliche Eugenik aus der rassistischen Mottenkiste“. Die Bezüge zu säkularen Gruppierungen werden meist nicht direkt hergestellt, doch erweckt Gleich den Eindruck, dass irgendwelche Verbindungen bestehen. Exemplarisch führt sie dies anhand eines Faltblattes der Regionalgruppen der gbs vor. Darin findet sich der wenig aufregende Satz: „Was halten Sie davon, dass die notwendige Islamkritik an Menschenrechtsverletzungen als ‘islamophob’ verunglimpft wird?“ Nachdem sie diesen zitiert hat, führt Gleich ein Statement des Kulturanthropologen Thomas Schmidinger an, in dem dieser erläutert, dass im Falle von Ressentiments gegen „vermeintlich unterwertige Menschen“ von Rassismus gesprochen werden sollte, wenn jedoch „die Angst vor einer muslimischen Weltverschwörung“ hinzukomme und dadurch eine Ähnlichkeit zu antisemitischen Denkweisen festzustellen ist, könne der Begriff „Antimuslimismus“ eingesetzt werden. Was diese Begriffs­abgrenzung mit dem Satz aus dem gbs-Papier zu tun hat, bleibt unklar und wird im Artikel auch nicht argumentativ ausgeführt. Doch die Formulierung, Schmidinger finde „dafür“ klare Worte, unterstellt, das gbs-Regionalgruppen-Faltblatt vertrete eine dem Antisemitismus ähnliche Position hinsichtlich der Muslime.

Diese rhetorische Technik prägt den
gesamten Aufsatz. Munter mischt Adah Gleich den Blog Politically Incorrect (PI), Frank Berghaus (Wissen bloggt) oder die Abendlandschützer von Pax Europa mit „den Säkularen“, suggeriert Schnittmengen, wo keine bestehen, und lässt unter den Tisch fallen, dass in den wenigen Fällen, wo tatsächlich kritikwürdige Kooperationen zustande kamen, die Kritik in der Regel sehr schnell aus der säkularen Szene selbst heraus formuliert wurde. Aus einem derartigen Vorgehen spricht nicht die Liebe zur Aufklärung, sondern die Freude an der Denunziation.

Gunnar Schedel

Antisemitismusvorwurf

Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hat der Giordano-Bruno-Stif­tung (gbs) in einer Kolumne in der Tageszeitung taz Antisemitismus un-
terstellt. Auslöser war offenbar deren Kinderrechtskampagne, die im Sep-
tember mit dem Thema „Zwangs­beschneidung“ begonnen hatte. In seinem Beitrag geht Brumlik allerdings nicht näher auf die Forderungen oder Positionen der gbs ein, vielmehr macht er seine Vorwürfe am Namensgeber der Stiftung fest. Giordano Bruno stellt er als einen der „rabiatesten Antisemiten seiner Zeit“ dar, auf den führenden Nationalsozialisten immer wieder Be­zug genommen haben. Der Artikel endet mit dem Satz: „Politisch bleibt festzustellen, dass die Giordano Bruno Stiftung ihrem Namensgeber alle Ehre macht.“ Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der gbs, wies die Argumentation als „intellektuell unredlich“ zurück. Zum einen sei Brunos Einschätzung als Antisemit fragwürdig, zum anderen hätten sich auch viele linke jüdische Intellektuelle wie Erich Fromm, Ernst Bloch oder Albert Einstein auf den Renaissance-Philosophen bezogen. Dass Brumlik sich nicht inhaltlich mit der Kinderrechtskampagne auseinandersetzt, sieht Schmidt-Salomon als Hinweis, dass ihm in der Sache die Argumente fehlen.

Im Sommer hatte sich Brumlik in der Frankfurter Rundschau zum Kölner Urteil und der anschließenden Debatte deutlich differenzierter geäußert. Seiner-
zeit hatte er den grundlegenden Dissens
herausgearbeitet: „An der im Beschnei­dungsurteil deutlich gewordenen Span­nung von Elternrecht hier und Schutz der körperlichen Unversehrtheit dort
wird deutlich, dass die deutsche Rechts- ordnung konkurrierende Werte, unterschiedliche Überzeugungen von einem guten Leben kennt, die nun in Konflikt geraten. Sollte sich das liberale individualistische Prinzip als höherwertig erweisen, wird freilich aus Gründen der Rechtsgleichheit aller betroffenen Bürger nichts anderes übrig bleiben, als das religionsbezogene Elternrecht insgesamt zu streichen.“ Er selbst sprach sich allerdings gegen diese Position aus, da er dadurch die Stellung der jüdischen und der muslimischen Minderheit beeinträchtigt sah.