Prisma | Veröffentlicht in MIZ 3/13 | Geschrieben von Christoph Steinmetz

Nachruf auf Narendra Dabholkar

Der indische Rationalist wurde am 20. August in Pune ermordet

Narendra Dabholkar wurde am 1. No­vember 1945 geboren. Er studierte Sozialwissenschaft und Medizin und promovierte. Als Arzt war er bis 1989 tätig. 1983 begründete er mit anderen die Maharastra Andhashraddha Nirmoolan Samiti (Committee for the Eradiction of Blind Faith).

Er war besonders in den ländlichen Gebieten gegen den tiefverwurzelten Aberglauben tätig und hatte viele Feinde unten den Gurus, Medizinmännern und anderen Scheinheiligen. In den letzten 14 Jahren hatten die Organisation unter seiner Führung für die Abschaffung von schwarzer Magie, Tieropfern und Ähnlichem gekämpft. Nicht zuletzt wegen der öffentlichen Erregung nach seiner Ermordung wurde das Gesetz wenige Tage später vom Gouverneur des größten Bundesstaates Indiens unterzeichnet. In Pune, einer aufstrebenden Industriestadt etwa 150 Kilometer von
der Metropole Mumbay entfernt landeinwärts gelegen, kam es am Tag nach
der Ermordung Dabholkars zu Demon­strationen, die zeitweise die Stadt lahm legten. International fand der Mord große Beachtung und wurde von der Presse aufgegriffen als Angriff auf Ra­tiona­lismus und Wissenschaft. So widmete der wirtschafts-liberale Eco­nomist Dabholkar einen ganzseitigen Nachruf, was nur international bedeutenden Persönlichkeiten zuteil wird.

Dabei hatte sich Dabholkar nicht explizit gegen die Religion gerichtet, sondern gegen jene, die andere im Namen der Religion beschwindeln und übervorteilen. So wurde 2011, wie die Times of India berichtete, ein 78-jähriger Magier verhaftet, der eine Frau beraubt hatte, der er versprochen hatte, weiße Hautflecken zu entfernen.

Dabholkar sah sich zahlreichen Be­schimpfungen und Morddrohungen von
Hindufundamentalisten ausgesetzt, die
ihm drohten, es werde ihm wie Gandhi, dem Freiheitskämpfer und Begründer des heutigen Indiens, ergehen, der von einem fanatischen Hindu getötet wurde. Bevor zwei junge Männer Dabholkar aus nächster Nähe erschossen und auf Motorrädern flüchteten, war der Rationalist bereits mehrfach körperlich angegegriffen worden. Die Polizei hatte ihm dennoch Personenschutz verweigert.

Ähnlich wie Gandhi trat Dabholkar für Gewaltfreiheit ein und griff in seinen Veröffentlichungen und Reden scharf die in Indien weitverbreiteten
Wunderheiler, sogenannte Gottmen­schen, an. Er bot eine halbe Million Rupien (etwa ein halbes Jahresgehalt) demjenigen, der ihn widerlegen und Wunder wissenschaftlich belegen könne, was viele seiner Gegner verärgerte. Genauso griff er das Kastenwesen, Unterdrückung der Frauen und „Ehren­morde“ an.

Nach indischen Zeitungsberichten reiht sich seine Ermordung ein in eine Reihe von Anschlägen gegen aufklärerische Aktivisten in der Gegend von Pune in den letzten Jahren. Nicht nur Indien verliert mit ihm einen bedeutenden Rationalisten.