Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 3/13 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Bärbel Harju: Rock & Religion.

Eine Kultur­geschichte der christlichen Popmusik in den USA

Bärbel Harju: Rock & Religion. Eine Kultur­geschichte der christlichen Popmusik in den USA. Transcript Verlag, Bielefeld 2012. 270 Seiten, broschierte Ausgabe, 28,80 Euro. ISBN: 978-3-8376-2050-4

Die Amerikanistin Bärbel Harju legt mit ihrer Dissertation zur Kulturgeschichte des Christian Pop eine überaus interessante Arbeit vor. Sie zeigt in ihrer Studie, dass wir unser Bild der Popgeschichte insoweit korrigieren müssen, als dass sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein Kultursystem des Pop entwickelt hat, auf welches nicht zuletzt auch christliche Musiker_innen Einfluss nahmen.

Christian Pop ist eng an die Geschichte und das Selbstverständnis der USA gekoppelt. Diese sieht sich bis heute als ein von Gott auserwähltes Land, welches den Auftrag besitzt, Demokratie, Marktwirtschaft und Christentum in die Welt zu tragen. Gerade dieses Selbstverständnis – „to be in the world but not of it“ – zeigt nach Harju „eine genuine amerikanische Erscheinung (...), die aufschlussreiche Perspektiven auf ein dynamisches Entwicklungsfeld zulässt“. (S. 11)

Dieses dynamische Entwicklungs­feld zeichnet Harju in sechs Kapiteln nach. Mit Hilfe von Interviews und Textanalysen tastet sie sich an das Thema heran und geht dabei zurück bis ins 19. Jahrhundert. Sie kann dabei zeigen, dass Christian Pop immer auch ein Abbild des jeweiligen Zustandes der amerikanischen Gesellschaft war, in welcher Phasen des Aufschwungs ebenso zu beobachten waren, wie des Abschwungs bzw. der Nischenbildung.

Christian Pop entwickelte sich seit den 1960er Jahren zunächst als Subkultur quasi parallel zum Mainstream der damaligen Popmusik. Im Laufe der Jahre wuchs in den USA eine millionenschwere christliche Musikindustrie heran, deren Relevanz auch in der „säkularen“ Popindustrie (Harju) zu spüren war. Christliche Künstler_innen gewannen an Einfluss und prägten den Musikstil mit. Einen wichtigen Grund für den steigenden Einfluss sieht die Autorin in der Selbstmodifikation des Christian Pop: „Der Verzicht auf einen absoluten Glaubensanspruch sowie das Eingeständnis von Zweifeln und Unzulänglichkeiten wirken auf Außenstehende weitaus attraktiver
als selbstgerecht frömmelnder Missio­narseifer.“ (S. 248)

Doch der zunehmende Einfluss auf den Mainstream hat auch seinen Preis. Die Anpassung und Kommerzialisierung der Glaubensinhalte stößt nicht nur auf positive Resonanz innerhalb der christlich-fundamentalistischen Community. Kritiker monieren, dass hiermit der originär christliche Inhalt Preis gegeben würde, um dabei sein zu können. Doch die Befürworter der Entwicklung haben längst erkannt, dass die (säkulare) Musikindustrie als Katalysator gebraucht werden kann, mit welchem sich christliche Inhalte transportieren lassen. Harjus Fazit lautet: „Einerseits werden die Grenzen zwischen ‘christlicher’ und ‘säkularer’ Musik weiter verschwimmen. Andererseits wird dies wohl kaum zum endgültigen Niedergang, sondern lediglich zu einer Veränderung der Christian Pop Industrie führen.“ (S. 253) Wie dies aussehen kann, müssen weitere (Feld)Forschungen und Studien zeigen.