Neulich | Veröffentlicht in MIZ 1/15 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

... bei Papa Francesco

Bei meinem jüngsten Besuch im Bahn­hofskiosk konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen. Ich habe sie gekauft: die deutsche Erstausgabe der Zeitschrift Mein Papst – das Privatleben von Jorge Bergoglio auf Hoch­glanzpapier. Warum? Weil ich es endlich verstehen will, dieses Phänomen „Franziskus“. Warum jubeln die Men­schen diesem Mann zu? Ist es wirklich genug, als freundliches Großväterchen aufzutreten? Hört denn niemand zu, wenn dieser Mann spricht?

Das fragte ich mich besonders, als
er neulich wieder mal die Herzen der Gläubigen im Sturm eroberte. Was übrigens wörtlich zu verstehen ist: Während der Vertreter Gottes auf Erden im Januar auf den Philippinen dem hoffnungslos überbevölkerten, tief katholischen Land predigte, dass Verhütung Sünde sei, braute sich ein Sturm biblischen Ausmaßes über dem Inselstaat zusammen. Dennoch wurde das wohl größte Gottesdienstspektakel aller Zeiten für rund sechs Millionen Gläubige gnadenlos durchgezogen. Highlight der Show: Ein zwölfjähriges Mädchen berichtete dem Papst vor den laufenden Kameras der Weltpresse von seinem früheren Leben als Straßenkind zwischen Drogen und Prostitution und fragte ihn schließlich unter Tränen: „Warum lässt Gott das zu?“. Der Papst der Herzen nahm sie in den Arm und sagte, dass er die Antwort auf diese Frage nicht wisse, aber dass alle lernen sollten zu weinen wie dieses Mädchen, denn wer nicht lerne laut zu klagen, der könne kein guter Christ sein.

Gern wäre ich in diesem Moment dort gewesen, um dem Papst der Herzen mitzuteilen, dass mir – im Gegensatz zu ihm – einige Erklärungsmodelle ein­fallen, wie es dazu kommt, dass auf den Philippinen Straßenkinder zur Pros­titution gezwungen werden. Ein paar davon haben mit Überbevölkerung und Verhütung zu tun, andere mit der Kolonialisierung des Landes, die die Kirche bekanntlich gern unterstützte, um die ursprüngliche Bevölkerung zwangschristianisieren zu können.

Während es den himmlischen Mäch­ten gefiel, durch eine Windböe ein tonnenschweres Stahlgerüst auf eine freiwillige christliche Gottesdiensthelferin stürzen zu lassen und sie zu töten, türmte Franziskus vorzeitig vor den Naturgewalten per Flugzeug gen Va­tikan.

Über den Wolken setzte er vor einer
erlesenen Auswahl mitreisender Jour­nalisten seine päpstlichen Ausführun­gen fort. Christen, erläuterte er, seien trotz des vorgeschriebenen Verzichts auf Verhütungsmaßnahmen nicht dazu gezwungen, sich wie Karnickel zu vermehren. – Eine Äußerung, die ihm später eine schwere Rüge vom Präsidenten des Zentralverbands Deutscher Rasse­kaninchenzüchter einbrachte, da man –
wie dieser betont – nicht allen Kanin
chen pauschal ein erhöhtes Sexual­verhalten unterstellen dürfe. Bei Zucht­kaninchen verlaufe fortpflanzungstechnisch alles in geordneten Bahnen, lediglich Wildkaninchen neigten zu sexuellen Ausschweifungen.

Um das Ausleben sexueller Vor­lieben ging es denn auch weiter im
päpstlichen Interview über den Wolken.
Der Heilige Vater tat kund, dass in seinen Augen der Westen mit seiner „Homosexuellen-Agenda“ die Völker der Erde kolonialisieren wolle, was für ihn ein ähnliches Vorgehen darstelle wie die Indoktrination der faschistischen Jugend unter Mussolini oder der Hitlerjugend.

Wem an dieser Stelle noch nicht end
gültig klar war, dass das Hirn Seiner Heiligkeit auf Höhenluft offenbar problematisch reagiert, für den setzte Papa Francesco noch einen drauf. Als man ihn zu seiner Meinung hinsichtlich des Attentats auf die Redaktion von Charlie Hebdo durch islamische Glaubenskrieger ansprach, lautete sein
Kommentar hierzu: Wer meine Mut­ter beleidigt, den erwartet mein Faustschlag. Diese atemberaubende Legitimierung der brutalen Morde an
den französischen Karikaturisten kann
man wirklich nur durch Sauerstoff­mangel erklären, aus dem wahrscheinlich auch die holperige Bibelfestigkeit des Oberhaupts der katholischen Christen resultierte. Ich jedenfalls habe
das Prinzip des Christentums immer
anders verstanden. Und sein Religions­stifter wohl auch. Das war der mit dem Satz „Wenn dir einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“. Dass diesbezüglich eine Ausnahmeregel für beleidigte Mütter und religiöse Fundamentalisten gilt, war mir bislang unbekannt. Aber wahrscheinlich ist diese Weisheit in einer der geheimen Schriften des Vatikan nachzulesen.

Kaum war Franz der Gütige dem Sturm entkommen und wieder auf vatikanischem Boden gelandet, erweiterte er seine überraschende neue Lesart des Christentums auf eine von der katholischen Kirche äußerst geschätzte Zielgruppe: Nicht nur die Beleidiger von Müttern dürfen geschlagen werden, sondern selbstverständlich auch
Kinder. Aber, so Franziskus, das Schla­gen müsse in Würde geschehen – was meint: nicht ins Gesicht. – Natürlich nicht: da würde man es ja sehen. Die erste Regel beim Misshandeln von Kindern lautet schließlich: Sorg nur da für blaue Flecken, wo sie keiner sieht.
Trotz all dieser Äußerungen wächst das Franziskus-Fandom immer weiter. Und ich verstehe einfach nicht, warum. Aber gewiss wird mir die päpstliche Fan-Zeitschrift aus dem Klebebildchen-Verlag Panini hierbei auf die Sprünge helfen.